Bundesarbeitsgericht erklärt Kündigung eines Chefarztes in einem katholischen Krankenhaus wegen Wiederverheiratung für unwirksam

Nachricht 20. März 2019

Schon im Jahr 2011 hatten die obersten Arbeitsrichter die Kündigung eines Chefarztes in einem katholischen Krankenhaus aufgrund seiner Wiederheirat für unzulässig erklärt. Allerdings hob das Bundesverfassungsgericht das Bundesarbeitsgerichtsurteil im Jahr 2014 mit der Begründung auf, dass dieses die Kirche in ihren verfassungsrechtlich garantierten Sonderrechten verletze. Daraufhin legte das BAG den Fall im Jahr 2016 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Dieser sollte die Fragen nach der rechtlichen Sonderstellung der Kirchen nach deutschem Verständnis und einem möglichen Widerspruch zur EU–Antidiskriminierungsrichtlinie klären. Der EuGH stellte 2018 fest, dass die Kündigung des Chefarztes wegen seiner Wiederheirat dem EU-Diskriminierungsverbot widerspricht (EuGH, Urteil vom 11. September 2018 in der Rechtssache C-68/17). Der Europäische Gerichtshof gab in seinem Urteil vor, dass Gerichte überprüfen können müssten, wenn Kirchen bestimmte Anforderungen an loyales Verhalten von leitend tätigen Beschäftigten stellen. Dabei komme es insbesondere darauf an, ob die Loyalitätspflicht zur Kirche eine tatsächlich gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Der EuGH kam in seiner Beurteilung zu dem Verständnis, dass das katholischen Eheverständnis keine wesentliche Anforderung der beruflichen Tätigkeit eines Chefarztes darstellt.

In seinem Urteil vom 20.02.2019 (2 AZR 7246/14) folgte das BAG der Argumentation des EuGH. Es entschied, dass die Kündigung nicht gerechtfertigt war, da der Chefarzt mit seiner erneuten Heirat weder eine wirksam vereinbarte Loyalitätspflicht, noch eine berechtigte Loyalitätserwartung des Arbeitgebers verletzt habe. Das BAG stellte fest, dass der Kläger insbesondere gegenüber nicht der katholischen Kirche angehörenden leitenden Mitarbeitern wegen seiner Religionszugehörigkeit und damit wegen eines im § 1 AGG genannten Grundes ohne, dass dies nach § 9 Abs. 2 AGG gerechtfertigt ist, benachteiligt sei. Diese müssen nämlich nach Scheidung und Wiederheirat nicht fürchten, gekündigt zu werden.

Siegfried Wulf