Dienstvereinbarung Arbeitszeitkonten

Nachricht 24. Juni 2015

Gesamtausschuss empfiehlt Abschluss von Dienstvereinbarungen zur Einrichtung von Arbeitszeitkonten

Landeskirchenamt und Gesamtausschuss haben in Zusammenarbeit eine Musterdienstvereinbarung über die Einrichtung und das Führen von Arbeitszeitkonten erstellt. Das Landeskirchenamt hat diese Musterdienstvereinbarung im Rahmen der Rundverfügung G 6/ 2015, welche weitergehende Erläuterungen zum Einrichten und Führen von Arbeitszeitkonten enthält, veröffentlicht. Die Notwendigkeit zum Abschluss von Dienstvereinbarungen über das Einrichten und Führen von Arbeitszeitkonten ergibt sich aus dem Mindestlohngesetz in Verbindung mit § 10 TV-L. Auswirkungen des Mindestlohngesetzes auf den kirchlichen Bereich sind der Handreichung des Landeskirchenamtes zu entnehmen. Verbunden mit der Einrichtung von Arbeitszeitkonten ist die Erfassung der Arbeitszeiten der Beschäftigten.

Seit dem 01.01.2015 gilt gemäß Mindestlohngesetz ein Mindestlohn in Höhe von brutto 8,50 € je Zeitstunde. War der Gesamtausschuss anfangs noch der Auffassung, dass das Mindestlohngesetz nicht in den Bereich der kirchlichen Beschäftigungsverhältnisse hineinreicht, da auch in der niedrigsten Entgeltgruppe 1, Entgeltstufe 2 ein Bruttostundenlohn von deutlich über 8,50 € erreicht wird, wurde nach genauem Studium des Gesetzes schnell klar, dass dem nicht so ist. So schreibt das Mindestlohngesetz in § 17 Absatz 1 zwingend vor, dass für alle geringfügig Beschäftigten Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit spätestens bis zum Ablauf des 7. auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzuzeichnen sind und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre, beginnend ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt, aufbewahrt werden müssen, unabhängig von der Höhe des Stundenentgeltes. Auch kann es im Rahmen des § 2 Mindestlohngesetz zu einer theoretischen Unterschreitung des Mindestlohnes auch im kirchlichen Bereich kommen. Leistet der Beschäftigte über seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus Mehrarbeitsstunden, ohne, dass diese spätestens zum Ende des Folgemonats ausgezahlt werden, so wird das gezahlte Monatsentgelt für die Berechnungen nach dem Mindestlohngesetz durch die tatsächlich gearbeiteten Stunden geteilt. Bei einer höheren Anzahl an Mehrarbeitsstunden kann hierdurch theoretisch ein Stundenentgelt von unter 8,50 € erzielt werden. In diesem Fall muss der Arbeitgeber für die insgesamt geleistete Stundenzahl Sozialversicherungsbeiträge in Höhe des Mindestlohns zahlen, wobei beim späteren Abbummeln der Mehrarbeitsstunden bzw. bei eventueller Auszahlung die Sozialversicherungsbeiträge nochmals fällig werden. Zusätzlich hat der Beschäftigte Anspruch auf ein Entgelt in Höhe von 8,50 € pro Stunde der tatsächlich geleisteten Monatsarbeitszeit. Selbstverständlich steht dem Beschäftigten aber auch ein zusätzlicher Habenstundenausgleich für die Mehrarbeitsstunden bzw. eine zusätzliche spätere tarifgerechte Auszahlung der Mehrarbeitsstunden zu.

Um eine solche Fallkonstellation zu vermeiden, eröffnet das Mindestlohngesetz im § 2 folgende Möglichkeit:

Wenn geleistete Mehrarbeitsstunden nicht bis zum Ende des Folgemonats ausgezahlt werden, müssen sie auf einem schriftlich vereinbarten Arbeitszeitkonto eingestellt werden. Sie sind innerhalb von 12 Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohnes auszugleichen. Die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden dürfen monatlich jeweils 50 % der vertraglich vereinbarten Monatsarbeitszeit nicht übersteigen. Darüber hinausgehende Mehrarbeitsstunden müssen spätestens am Ende des Folgemonats ausgezahlt werden.

§ 10 Absatz 1 TV-L schreibt zwingend vor, dass Arbeitszeitkonten nur durch Dienstvereinbarung eingerichtet werden können. Das Führen von Arbeitszeitkonten ohne vorherigen Abschluss einer Dienstvereinbarung zwischen Dienststellenleitung und Mitarbeitervertretung ist nach Rechtsauffassung des Gesamtausschusses daher nicht statthaft. Arbeitgeber vertreten allerdings teilweise die Rechtsauffassung, dass die Vereinbarung von Arbeitszeitkonten auch durch individualrechtliche Vertragsgestaltung möglich sei. Hierbei wäre aber eine vertragliche Vereinbarung des Anstellungsträgers mit jedem einzelnen Arbeitnehmer notwendig, zu der der Beschäftigte bereit sein müsste. Der Gesamtausschuss zweifelt diese Rechtsposition an. Wir gehen aber davon aus, dass in vielen Kirchenkreisen und selbstständigen Einrichtungen trotz Fehlen einer Dienstvereinbarung schon Arbeitszeitkonten geführt werden. Um den gesetzlichen Bestimmungen gerecht zu werden und die Arbeitnehmerrechte bei der mit Einführung von Arbeitszeitkonten einhergehenden Flexibilisierung der Arbeitszeit im Rahmen der tarifvertraglichen Möglichkeiten zu wahren, sollte baldmöglichst eine Dienstvereinbarung über die Errichtung und das Führen von Arbeitszeitkonten zwischen den Mitarbeitervertretungen und den Dienststellenleitungen abgeschlossen werden. Wir empfehlen den Mitarbeitervertretungen, soweit irgend möglich, auf der Grundlage der vorliegenden Musterdienstvereinbarung eigene Dienstvereinbarungen in den Kirchenkreisen abzuschließen. Abweichungen vom Muster sollten so gering wie möglich gehalten werden, da hierdurch die Gefahr steigt, dass kirchliche Beschäftigte unangemessen benachteiligt werden. Wir empfehlen grundsätzlich die Einbeziehung aller kirchlichen Beschäftigten in die Dienstvereinbarung. Hierdurch wird sichergestellt, dass alle im kirchlichen Bereich tätigen Kolleginnen und Kollegen ihre Arbeitszeit erfassen, die erfasste Arbeitszeit regelmäßig monatlich ihrem Arbeitgeber schriftlich zur Kenntnis geben und dieser durch seine Unterschrift die erfasste Arbeitszeit anerkennt. Wir wissen aus unserer Beratungstätigkeit, dass die Erfassung der Arbeitszeit für viele kirchliche Beschäftigte nicht selbstverständlich ist, und daher in weiten Bereichen auf Unmut stößt. Mancher Beschäftigte sieht hierin eine unzulässige Kontrolle seiner Arbeit durch den Arbeitgeber. Die Erfassung der Arbeitszeiten sollte allerdings eine Selbstverständlichkeit sein, allein schon, um gegenüber dem Arbeitgeber nachweisen zu können, dass man seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung zur Ableistung der vereinbarten Wochenarbeitszeit nachgekommen ist. In vielen Fällen, in denen Beschäftigte über ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus arbeiten, der Arbeitgeber dieses allerdings erst mit starker Verspätung, teilweise nach Jahren, offiziell zur Kenntnis nimmt, kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen über den Umgang mit diesen „nicht angeordneten“ Mehrarbeitsstunden, die oftmals zum Nachteil der Beschäftigten ausgehen. Durch die Erfassung der Arbeitszeit und Kenntnisnahme durch den Arbeitgeber ist also sichergestellt, dass dieser jeden Monat die erbrachten Arbeitsstunden anerkennt. Sollte er mit einzelnen Erfassungen nicht einverstanden sein, so lässt sich dieses zeitnah klären, und Unstimmigkeiten können für die Folgezeit vermieden werden. Übrigens schreibt § 16 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz verbindlich vor, dass der Arbeitgeber die über die werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen und den Nachweis für zwei Jahre aufzubewahren hat. Das Vollzeitbeschäftigte an einzelnen Tagen auch über 8 Stunden arbeiten, dürfte in der Praxis gar nicht so selten vorkommen. Die gesetzliche Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit trifft also nicht nur die geringfügig Beschäftigten, sondern auch alle Beschäftigten, welche durch entsprechende zeitweilige Mehrarbeit theoretisch des Mindestlohn unterschreiten könnten (Arbeitszeitkonto verbindlich vorgeschrienen) und Beschäftigte, die tageweise länger als 8 Stunden arbeiten.

Ein Arbeitszeitkonto ergibt sich aus der Einführung der Dienstvereinbarung für alle Beschäftigten nicht automatisch. Nur, wenn im Laufe eines Arbeitsmonats die durchschnittliche wöchentlich vereinbarte Arbeitszeit über- bzw. unterschritten wird, entsteht automatisch ein Arbeitszeitkonto, auf welches die Mehr- oder Minderstunden gebucht werden. Arbeiten Beschäftigte auf den Monat gerechnet also immer ihre durchschnittliche vereinbarte Wochenarbeitszeit, so entsteht trotz Dienstvereinbarung kein Arbeitszeitkonto. Entsteht ein Arbeitszeitkonto, so wird durch die Begrenzung des Zeitguthabens bzw. Zeitsaldos nach § 5 „Musterdienstvereinbarung Arbeitszeitkonto“ eine unangemessene Benachteiligung des Beschäftigten verhindert. Die uns aus vielen Fällen bekannten dreistelligen Zeitguthaben sind nach Abschluss einer Dienstvereinbarung zukünftig nicht mehr möglich. Für Teilzeitbeschäftigte ist das Zeitguthaben aufgrund der Begrenzung auf das Dreifache der vertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit entsprechend niedriger. Auch die Höchstgrenze für eine Zeitschuld ist auf das Einfache der vertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit, höchstens jedoch 20 Stunden, begrenzt, um kirchliche Beschäftigte nicht unangemessen zu benachteiligen. Bei Überschreiten des zulässigen Zeitguthabens kann der Beschäftigte im Rahmen von § 5 Absatz 5 Musterdienstvereinbarung einen Antrag auf Gewährung von Freizeitausgleich stellen. Hierfür sind gewisse Fristen vorgesehen, um dem Arbeitgeber eine entsprechende Planung zu ermöglichen, eine Ablehnung des Antrags ist nur aus dringenden betrieblichen Gründen möglich. Wird ein bereits genehmigter Antrag widerrufen, so muss die Dienststelle einen tatsächlich entstandenen Schaden ersetzen. Hat der Beschäftigte Freizeitausgleich im Rahmen des Arbeitszeitkontos beantragt und wird in der genehmigten Zeit des Freizeitausgleiches krank, tritt bei unverzüglich angezeigter und durch ärztliches Attest nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit eine Minderung des Zeitguthabens nicht ein. Diese Regelung gilt allerdings nicht bei Schwankungen in der Höhe des Arbeitszeitkontos aufgrund der Dienstplangestaltung. Besonders zu beachten ist, dass die Musterdienstvereinbarung insbesondere die im § 10 Absatz 4 und 5 TV-L vorgesehenen Schutzrechte der Beschäftigten besonders berücksichtigt. Die in der Musterdienstvereinbarung vorgesehenen Formulierungen diesbezüglich sollten sich also Mitarbeitervertretungen von ihren Dienststellenleitungen nicht abverhandeln lassen. Ein Außerkraftsetzen wäre eh nicht möglich, da nicht gegen tarifvertragliche Bestimmungen verstoßen werden darf.

Selbstverständlich müssen in die „Dienstvereinbarung Arbeitszeitkonten“ auch das Datum des Inkrafttretens und Regelungen zur Kündigungsmöglichkeit der Dienstvereinbarung aufgenommen werden. Dies könnte unter der Überschrift „Geltungsdauer“ geschehen. Die Kündigungsfrist könnte z. B. 6 Monate zum Jahresende betragen. Da bei einer Kündigung zum Kündigungsstichtag keine Arbeitszeitkonten mehr bestehen dürften, wäre bei Kündigung eine Übergangsregelung empfehlenswert, welche die Weitergeltung der Dienstvereinbarung bis zu einer Neuregelung sicherstellt.

Nach Abschluss einer Dienstvereinbarung ist diese allen Beschäftigten zur Kenntnis zu bringen.

Siegfried Wulf