Kann die Entgeltgruppe 1 im kirchlichen Bereich Anwendung finden?

Pressemitteilung 26. Mai 2009

Bei der Einführung eines neuen Tarifrechts im Öffentlichen Dienst (TVöD und TV-L) konnten sich die Tarifparteien noch nicht auf eine neue Entgeltordnung einigen. Erste Verhandlungen für den Bereich des Sozial- und Erziehungsdienstes haben erst vor einigen Monaten begonnen und stecken augenblicklich in der Sackgasse, da die Forderungen der Gewerkschaft ver.di und das Angebot der Arbeitgeberseite was die Höhe der Eingruppierungen angeht extrem weit auseinander liegen. (nähere Informationen auf der ver.di-Homepage www.chancen-foerdern.de). Daher werden bisher immer noch die alte Vergütungsordnung des BAT und das Lohngruppenverzeichnis des MTArb angewendet. Sofort nach der Eingruppierung wird in die entsprechende Entgeltgruppe des TV-L übergeleitet. Ebenso wird im kirchlichen Bereich verfahren, da wir im Rahmen der neuen DVO seit Anfang 2009 den TV-L anwenden.

Eine Ausnahme stellt die Entgeltgruppe 1 unter dem Oberbegriff "Beschäftigte mit einfachsten Tätigkeiten" dar. Tätigkeiten dieser Entgeltgruppe waren im bisherigen Tarifgefüge von BAT und MTArb nicht vorgesehen. Dies wurde von der Arbeitgeberseite immer wieder moniert, da man laut Arbeitgeberaussage auch für sehr einfache Tätigkeiten relativ hohe Vergütungen zahlen musste und in vielen Bereichen deshalb nicht konkurrenzfähig war. Bei den Tarifverhandlungen konnte die Arbeitgeberseite durchsetzen, dass in die Entgelttabelle eine neue "Niedriglohngruppe" für "Beschäftigte mit einfachsten Tätigkeiten" aufgenommen wurde. Handelt es sich um einfachste Tätigkeiten, erfolgt die Eingruppierung bei Neueinstellung daher laut ARR-Ü-Konf § 15 Abs. 2 nicht im Rahmen der alten Vergütungsordnung des BAT oder des Lohngruppenverzeichnisses des MTArb. Die Eingruppierung wird vielmehr im Rahmen der Anlage 3 Teil A ARR-Ü-Konf vorgenommen.

Den Gesamtausschuss erreichen vermehrt Anfragen, da Kirchenkreise und Kirchengemeinden versuchen, bei Neueinstellungen Reinigungskräfte der Entgeltgruppe 1, Entgeltstufe 2 zuzuordnen und nicht mehr, wie es in der Vergangenheit der Fall war, im Lohngruppenverzeichnis in die Lohngruppe 1 einzugruppieren. Die Mitarbeitervertretungen stehen im Rahmen der Mitbestimmung vor der Frage, ob eine solche Eingruppierung korrekt ist, wurde doch die Tätigkeit in der Vergangenheit deutlich höher bewertet. Finanziell macht dies bei einer Vollzeitstelle im Einstiegsgehalt über 300 €, im Endgehalt über 500 € Unterschied aus.

Darf die Entgeltgruppe 1 für Tätigkeiten angewendet werden, die bisher der Lohngruppe 1 zugeordnet wurden?

Grundsätzlich besteht diese Möglichkeit, wenn es sich wirklich um einfachste Tätigkeiten handelt und eine Eingruppierung in die Lohngruppe 1 des Lohngruppenverzeichnisses in der Vergangenheit nur deshalb durchgeführt wurde, weil der MTArb keine den Tätigkeitsmerkmalen entsprechende niedrigere Lohngruppe vorsah. Beschäftigte, die übergeleitet werden, dürfen im Rahmen der Überleitung aber nie der Entgeltgruppe 1 zugeordnet werden, eine solche Eingruppierung ist grundsätzlich nur bei Neueinstellung möglich. Die Einstufung erfolgt dann zwingend in die Entgeltstufe 2, die Stufe 1 ist in der Entgeltgruppe 1 nicht vorgesehen.

Aber auch bei Neueinstellungen ist an eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 1 ein strenger Maßstab anzulegen. Die Tarifparteien haben sich dabei auf folgende Beispielaufzählung geeinigt: Beschäftigte mit einfachsten Tätigkeiten, zum Beispiel

  • Essens- und Getränkeausgeberinnen
  • Garderobenpersonal
  • Spülen und Gemüseputzen und sonstige Tätigkeiten im Haus- und Küchenbereich
  • Reinigerinnen in Außenbereichen wie Höfe, Wege, Grünanlagen, Parks
  • Wärterinnen von Bedürfnisanstalten
  • Serviererinnen
  • Hausarbeiterinnen
  • Hausgehilfinnen
  • Botinnen (ohne Aufsichtsfunktion)

Ob bei einer Tätigkeit als Reinigungskraft im Kirchenkreis oder einer Kirchengemeinde die Entgeltgruppe 1 die den Tätigkeitsmerkmalen entsprechende korrekte Eingruppierung ist, hängt davon ab, ob die Tätigkeit einer der oben aufgeführten Beispieltätigkeiten von den Anforderungen her entspricht. Dies darf in den meisten Fällen bezweifelt werden. Letztendlich muss jeder Einzelfall geprüft werden und bei Nichteinigung müssen die arbeitsrechtlich zuständigen Gremien entscheiden. Im Rahmen der Mitbestimmung durch die MAV wird dies erst einmal die Schiedsstelle sein. Ein erstes Verfahren steht nach Kenntnis des Gesamtausschusses in Kürze in unserer Landeskirche an.

Ein Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts vom 28.01.2009 liegt unter dem Aktenzeichen 4 ABR 92/07 inzwischen zur Eingruppierung in die Entgeltgruppe 1 vor. Dabei ging es um die Eingruppierung einer Reinigungskraft in einem Pflegeheim. Das Merkmal der "einfachsten Tätigkeiten" lag laut BAG in diesem Fall nicht vor, da bei der Sicht- und Unterhaltsreinigung Hygienevorschriften zu beachten und umfangreiche Desinfektionspläne einzuhalten waren. Hierfür war eine mehrstündige Schulung erforderlich. Zudem mussten die zu reinigenden Räume von der Reinigungskraft selbst kontrolliert werden.

Dies heißt nicht automatisch, dass jede Reinigungskraft oberhalb der Entgeltgruppe 1 einzugruppieren ist. Vielmehr müssen sämtliche Kriterien der Tätigkeit in einer Gesamtschau gewürdigt werden. Kriterien für "einfachste Tätigkeiten" der Entgeltgruppe 1 sind laut BAG Tätigkeiten, die nur einer sehr kurzen Einweisung bedürfen, keine Vor- oder Ausbildung erfordern, bei denen eine klare Aufgabenzuweisung besteht, bei denen es sich um im wesentlichen gleichförmige und gleichartige (mechanische) Arbeiten handelt, die nur geringster Überlegungen bedürfen, die nicht mit einem im Rahmen der Aufgaben eigenständigen Verantwortungsbereich verbunden sind und bei denen es keiner größeren Abstimmung mit anderen Personen bedarf.

Ist die Tätigkeit der Reinigungskraft gegenüber den oben geschilderten Kriterien als anspruchsvoller zu beurteilen, dann kommt eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 1 nicht in Frage. Beantragt ein Arbeitgeber die Zustimmung zu einer Eingruppierung, dann hat er die dort ausgeübten Tätigkeiten der MAV nachzuweisen, damit diese eine Kontrolle der Richtigkeit der Eingruppierung durchführen kann. Das geschieht im Regelfall über eine Stellen- oder Arbeitsplatzbeschreibung. Will der Arbeitgeber eine Reinigungskraft in die Entgeltgruppe 1 eingruppieren, dann müssen sich die auszuübenden Tätigkeiten eindeutig an den oben aufgeführten Kriterien messen lassen. Für die MAV sollte die Anforderung einer Stellen- oder Arbeitsplatzbeschreibung vom Arbeitgeber selbstverständlich sein, damit sie ihrer Prüfungspflicht im Rahmen der Mitbestimmung ordnungsgemäß nachkommen kann. In vielen Fällen wird die Reinigungskraft aufgrund der sehr knapp bemessenen Zeit selbstständig entscheiden müssen, welche Bereiche an welchen Tagen mit welcher Frequenz zu reinigen sind. Oder sie muss in Absprache mit verschiedenen Nutzern die Raumvergabe, die Ausgestaltung und Möblierung der Räume klären und über die damit eventuell verbundene Reinigung entscheiden. Oftmals wird eine umfangreichere Abstimmung der anfallenden Arbeiten in regelmäßigen Teamsitzungen stattfinden. Alles dies spricht nach Einschätzung des Gesamtausschusses gegen eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 1. Jeder Einzelfall ist aber individuell zu beurteilen und letztendlich müssen Schiedsstellen oder Arbeitsgerichte im Zweifelsfall bei Nichteinigung entscheiden.

Siegfried Wulf